Wolfsgebiet Schermbeck: Ministerin
Heinen-Esser im Austausch mit Landräten und
Bürgermeistern Moers/Hamminkeln, 19. Februar
2021 - Umwelt- und
Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser
hat sich in der vergangenen Woche und erneut am
Abend des 18. Februar 2021 mit Landräten,
Oberbürgermeistern und Bürgermeistern aus dem
Wolfsgebiet Schermbeck über die aktuelle
Situation dort ausgetauscht. Neben einem
Lagebericht des Ministeriums und des Landesamtes
für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV),
dem Stimmungsbild aus der Region, standen die
Nutztierrisse der zurückliegenden Jahre, der
Herdenschutz, die Unterstützung der Region sowie
die Frage der Auffälligkeit der Wölfe im
Wolfsgebiet Schermbeck im Mittelpunkt des
Gespräches.

Wir müssen lernen, mit den Wölfen zu
leben "Es war ein guter und offener
Austausch. So haben alle Teilnehmer den gleichen
Sachstand. Wir werden ganz grundsätzlich lernen
müssen, mit dem Wolf zu leben, denn Wölfe werden
sich auch in Nordrhein-Westfalen dauerhaft
etablieren. Wie bereits in anderen Bundesländern
wird auch bei uns in Nordrhein-Westfalen
nur ein ausreichender Herdenschutz unsere
Weidetierhaltung dauerhaft sichern",
sagte Ministerin Heinen-Esser im Nachgang der
Gespräche. Während die Wölfe in den weiteren
Wolfsgebieten Nordrhein-Westfalens aktuell kaum
in Erscheinung treten, gab es seit 2018 im
Wolfsgebiet Schermbeck eine in etwa
gleichbleibende Zahl von 18-20 Übergriffen pro
Jahr, weit überwiegend auf unzureichend gegen
den Wolf geschützte Haus- und Nutztiere. Mit
wenigen Ausnahmen konnten die Übergriffe der
Wölfin GW954f zugeordnet werden.
Sachlicher Austausch mit Daten und Fakten
Dr. Thomas Delschen, Präsident des LANUV,
betonte die Notwendigkeit eines sachlichen
Umgangs miteinander: "Es gab in der
Vergangenheit immer wieder einzelne Fälle, in
denen Diskussionen und Gespräche von Emotionen
geleitet wurden. Wir stehen für einen sachlichen
Austausch auf der Grundlage von Daten und
Fakten, um rechtskonforme Lösungen zu finden.
Unseren Beitrag leisten wir dabei mit einem
funktionierenden Wolfsmonitoring, das wir nach
den bundesweit einheitlichen und verbindlichen
Standards durchführen."
Ingo Brohl,
Landrat des Kreises Wesel: "Unser gemeinsames
Ziel ist die Rechtssicherheit jeder
Entscheidung, unabhängig davon, wie sie
ausfällt. Wir werden die Wölfe in Schermbeck und
insbesondere die Wölfin GW954f weiter im Auge
behalten. Der Kreis Wesel unterstützt außerdem
die Weidetierhalter dabei, Herdenschutzmaßnahmen
konsequent umzusetzen."
Gutachter
bestätigt weitgehende Wild-Ernährung des
Wolfrudels Grundlagen für den
Austausch waren unter anderem die
Monitoring-Ergebnisse des LANUV sowie eine
aktuelle vom Ministerium in Auftrag gegebene
gutachterliche Stellungnahme der Dokumentations-
und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
(DBBW) zum bisherigen Verhalten der Wölfe im
Wolfsgebiet Schermbeck. Die gutachterliche
Stellungnahme der DBBW bestätigt die bisherige
Einschätzung, dass sich das Rudel in Schermbeck
weitgehend von Wild ernährt. Übergriffe auf
Haus-und Nutztiere erfolgten im Wesentlichen
immer dann, wenn sich die Gelegenheit durch
unzureichenden Herdenschutz bietet.
Keine oder nur geringe Schutzmaßnahmen
In der Stellungnahme heißt es unter anderem: "In
den meisten Fällen tötet sie (Anm.: GW954f)
Nutztiere, bei denen sie gar keine oder nur
geringe Schutzmaßnahmen überwinden muss." .
"Bisher gibt es keinen Beleg dafür, dass GW1578m
oder der Welpe des Rudels das Töten von
Nutztieren hinter empfohlenen
Herdenschutzmaßnahmen erlernt haben." Die
Wölfe in Schermbeck zeigen, ".dass sie ihre
Ernährung weitgehend mit Wildtierrissen
bestreiten, d.h. sie töten Nutztiere, wenn sie
die Gelegenheit dazu haben, aber sie brauchen
Nutztiere nicht als Nahrungsgrundlage."
Die gutachterliche Bewertung kommt aber auch zu
dem Schluss, dass dann, wenn sich Übergriffe auf
ausreichend gegen den Wolf geschützte Weidetiere
verstetigen, eine Entnahme des betreffenden
Wolfs in Betracht zu ziehen sei. Zurzeit sei
dies aber nicht der Fall.
"Sollte
die Wölfin GW954f damit beginnen, in
zeitlich-räumlich engen Abständen Nutztiere
hinter empfohlenen Schutzmaßnahmen zu töten, so
dass man von einem verfestigten Verhalten
ausgehen kann und nicht von seltenen Ausnahmen
bzw. sporadischen Vorfällen, die zwischen vielen
Übergriffen auf wenig geschützte Nutztiere
erfolgen, ist es für uns allerdings fachlich
nachvollziehbar, sich dafür zu entscheiden, eine
Entnahme des Tieres zu veranlassen."
Die DBBW empfiehlt auch aus den Erfahrungen in
anderen Bundesländern eine konsequente Anwendung
des bundesweit empfohlenen Herdenschutzes in der
Fläche.
Massive Ausweitung
geeigneter Schutzmaßnahmen "Eine
massive Ausweitung geeigneter Schutzmaßnahmen in
der Region erscheint uns aber die einzig
tragfähige Strategie, um eine langfristige
Koexistenz von Nutztieren und Wölfen zu
gewährleisten."
Im Ergebnis
bietet auf lange Sicht nur ein funktionierender
Herdenschutz der Weidetierhaltung einen
ausreichenden und nachhaltigen Schutz.
Ministerin Heinen-Esser: "Hierbei geht es vor
allem um die langfristige Perspektive, da auch
bei einer theoretischen Auflösung des aktuellen
Rudels in Schermbeck damit zu rechnen ist, dass
sich früher oder später wieder neue Wölfe in der
wild- und waldreichen Region westlich von Wesel
ansiedeln."
2009 kam der erste
Wolf wieder nach NRW Im Jahr 2009
wurde der erste Wolf in Nordrhein-Westfalen
nachgewiesen, 2018 erfolgte die erste dauerhafte
Ansiedlung eines Wolfs, 2020 gründeten sich die
ersten beiden Rudel. Aktuell sind in
Nordrhein-Westfalen sieben Wölfe verteilt auf
zwei Wolfsrudel nachgewiesen. Ein Wolfsrudel
lebt im niederrheinischen "Wolfsgebiet
Schermbeck", das andere im "Wolfsgebiet
Oberbergisches Land" bei Eitorf an der
Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz.
Trotz mehr Wölfen gleichbleibende Übergriffe auf
Nutztiere, weniger getötete Nutztiere
Während die Wölfe bei Eitorf kaum in Erscheinung
treten, kam es im Wolfsgebiet Schermbeck immer
wieder zu Übergriffen. Im Jahr 2018 wurden 18
Vorfälle und insgesamt 47 getötete Nutztiere
nachgewiesen, 2019 waren es 18 Vorfälle und 39
getötete Nutztiere, 2020 waren es 20 Vorfälle
und 25 getötete Nutztiere inklusive eines
Übergriffs auf ein Shetland-Pony. Damit blieb
trotz gestiegener Zahl der Wölfe die Anzahl der
Übergriffe in etwa gleich, die Zahl der
getöteten Tiere nahm ab.
Unzureichender Herdenschutz in fast 93 Prozent
der Übergriffe! 52 von 56
Übergriffen in den zurückliegenden Jahren
ereigneten sich auf unzureichend gegen den Wolf
geschützten Weiden. In bisher vier Fällen lag
ein nach den Empfehlungen des Bundes
ausreichender Herdenschutz vor (durchgehend
stromführende Schutzzäune in Höhe von 120 cm).
Tabelle 04.2018 bis 02.2021
Ein
Übergriff auf eine durch eingearbeitete,
erfahrene Herdenschutzhunde gesicherte Weide ist
bisher nicht zu verzeichnen. Im Jahr 2021 stellt
sich die Situation bisher wie folgt dar: Anfang
Januar erfolgte ein weiterer Übergriff auf ein
Shetland-Pony, Ende Januar und Anfang Februar
gab es jeweils einen Übergriff auf Schafe.
Bei den gemeldeten Fällen von
Nutztierrissen überwiegen die Falschmeldungen
In der Tabelle
(Angebliche) Nutztierrisse von Wölfen in NRW
sind Meldungen vom 23.11.2009 bis 15.2.2021
aufgeführt. Von ca. 305 Meldungen waren knapp 28
Prozent eindeutig einem Wolf zuzuordnen,
fast 60 Prozent konnten der Überprüfung
nicht standhalten und erwiesen sich als
Falschmeldungen!
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