Düsseldorf/Hamminkeln, 11.
Mai 2022 - Nordrhein-westfälische und
niederländische Behörden haben am 8. Mai 2022
zum zweiten Mal eine gezielte grenzübergreifende
Kontrollaktion in acht Sammelunterkünfte im
deutsch-niederländischen Grenzgebiet
durchgeführt. In der Stadt Goch
(Kreis Kleve) wurden die Unterkünfte in Bezug
auf Bauvorschriften, Wohnqualität, Überbelegung,
Hygienevorschriften und das Arbeitsschutzrecht
überprüft. Diesmal fand zudem zeitgleich und
zeitlich abgestimmt eine auf Antrag der
Staatsanwaltschaft gerichtlich angeordnete
Durchsuchung der Unterkünfte wegen des Verdachts
des Mietwuchers durch die Landespolizei statt.
Es besteht der Verdacht, dass durch
Leiharbeitsunternehmen mit Geschäftsbeziehungen
in die fleischverarbeitende Industrie auf der
niederländischen Seite, Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern, vorwiegend aus Rumänien, nach
Nordrhein-Westfalen angeworben wurden und unter
Missachtung von Arbeitnehmerrechten und
Mieterrechten untergebracht werden.
Vor
Ort trafen die Behörden rund 70
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an. Sie
wurden kontrolliert und über ihre Schutzrechte
aufgeklärt. Die Kontrollen offenbarten, dass
Unternehmen der Leiharbeit im
deutsch-niederländischen Grenzgebiet die Mieter-
und Arbeitnehmerrechte schwer missachten.
Erhebliche Brandschutzmängel und
Überbelegung In den kontrollierten
Unterkünften wurden unter anderem erhebliche
Brandschutzmängel und Überbelegung festgestellt.
Teilweise mussten einzelne Sammelunterkünfte
geräumt. Rund 20 Personen wurden von der Stadt
Goch in Notunterkünften untergebracht. Die
festgestellten Rechtsverstöße sollen
ordnungsrechtlich geahndet werden.
Eklatante Verstöße gegen
Arbeitsschutzrecht (Mindestlohn, Arbeitszeiten,
Kündigungsschutz) werden die
niederländischen Behörden zusätzlich ahnden.
Die Unternehmen haben zudem von den die
Bewohnerinnen und Bewohnern zu hohe Mieten
verlangt, sie abgeschottet und sie über ihre
Mieterrechte in Unkenntnis gelassen. Pro
Matratze im Zimmer mit Doppelbelegung werden 300
bis 400 Euro als Miete direkt vom Lohn
einbehalten.
Skrupellosen
Unternehmen mit ausbeuterischen Wohn- und
Arbeitsverhältnissen „Skrupellosen
Unternehmen mit ausbeuterischen Wohn- und
Arbeitsverhältnissen lassen wir keine Chance,
sich in Nordrhein-Westfalen einzunisten. Heute
ist uns erneut ein wichtiger Schlag gegen die
menschenunwürdige Unterbringung von
Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern
gelungen. Wir nutzen das scharfe Schwert des
Wohnraumstärkungsgesetzes, um prekäre Miet- und
Wohnverhältnisse zu beenden und Menschen zu
schützen. Die Methoden dieser Unternehmen sind
moderne Sklaverei. Deshalb gehen wir aus
Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden
gemeinsam mit den Mitteln des Rechtsstaates
dagegen vor. Mit den grenzübergreifenden
Kontrollen und dem Wohnraumstärkungsgesetz
Nordrhein-Westfalen können wir seit Beginn
dieses Jahres neue Wege gehen. Die Fortsetzung
der grenzüberschreitenden Kontrollaktionen ist
ein wichtiger Schritt, um die Missstände auf
beiden Seiten der Grenze erfolgreich zu
bekämpfen. Nur so können wir solchen Unternehmen
das Handwerk legen. Mein Dank gilt allen, die an
der erfolgreichen Aktion beteiligt waren“, sagt
Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat,
Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes
Nordrhein-Westfalen.
Die
Kontrollaktion wurde vom Ministerium für Heimat,
Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes
Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert.
Neben einer Vielzahl von kommunalen Behörden,
wie Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht, Ordnungsamt,
war auch die Steuerfahndung sowie der staatliche
niederländische Arbeitsschutz und die
Staatsanwaltschaft und Polizei für den Kreis
Kleve beteiligt. Zudem kontrollierte auch die
Staatliche Arbeitsschutzverwaltung
Nordrhein-Westfalen die Bestimmungen zur
angemessenen Unterbringung von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern.
Silke Gorißen,
Landrätin Kreis Kleve: „Mit vereinten Kräften
haben wir heute zahlreiche Durchsuchungen
durchgeführt. Im Kreis Kleve senden wir
gemeinsam mit Ministerin Scharrenbach und allen
beteiligten Behörden einmal mehr eine klare
Botschaft: Wir sagen den ausbeuterischen
Verhältnissen den Kampf an und wollen, dass die
dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen
werden.“
Bürgermeister Ulrich Knickrehm
Stadt Goch: „Seit Jahren ist die Stadt Goch
bemüht, menschenunwürdige Unterbringung von
Leiharbeitern und die daraus entstehenden
sozialen Konfliktherde und Beeinträchtigungen
der Nachbarschaften zu unterbinden. Dies war
über Jahre nur mit den allgemeinen Mitteln des
Ordnungs- und Bauordnungsrechtes möglich. Ich
begrüße sehr, dass das unter der Federführung
von Frau Ministerin Scharrenbach entstandene
Wohnraumstärkungsgesetz nun die Möglichkeiten
zum Einschreiten erweitert und es unter der
Federführung des Ministeriums gelungen ist, die
Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden zu
bündeln, um alle in Betracht kommenden Verstöße
Straftaten und Ordnungsverstöße festzustellen
und zu bekämpfen.“
Nach den ersten
landesübergreifenden Kontrollen am 12./13.
Februar 2022 in Geldern und Emmerich (ebenfalls
Kreis Kleve) war dies bereits die zweite
großangelegte Kontrollaktion, um gegen
ausbeuterische Unterbringung von
Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern
vorzugehen. Damals wurden kurz nach der Aktion
alle sechs kontrollierten Sammelunterkünfte
wegen erheblicher Verstöße gegen Bauvorschriften
geschlossen.
Viele Leiharbeitnehmerinnen
und Leiharbeitnehmer sind in Sammelunterkünften
grenznah auf der deutschen Seite untergebracht
und arbeiten auf der niederländischen Seite –
jeweils unter prekären Bedingungen. Vor allem
Unternehmen, vorwiegend mit Geschäftsbeziehungen
zur fleischverarbeitende Industrie in den
Niederlanden, bauen solche Strukturen auf.
Alleine im Kreis Kleve (mit der
kreisangehörigen Stadt Goch) ist nach
Schätzungen davon auszugehen, dass etwa 2.000
Arbeitsmigrantinnen und -migranten betroffen
sind.
Mit dem zum 1. Juli 2021
eingeführten Wohnraumstärkungsgesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen wurden die Kommunen bei der
Überprüfung von Gebäuden und Unterkünften, die
für die Unterbringung von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer genutzt werden, in ihren
Befugnissen gestärkt.
Das Ministerium
für Heimat Kommunales, Bau und Gleichstellung
des Landes Nordrhein-Westfalen hat zudem
parallel dazu Strukturen für eine koordinierte
Zusammenarbeit mit den Niederlanden entwickelt.
Nun erfolgte eine erneute Kontrollaktion
auf deutschem Boden. Die Landesregierung und die
Niederlande machen damit deutlich, dass die
Landesgrenzen kein Hindernis sind, um
international tätige Unrechtsstrukturen
erfolgreich bekämpfen zu können.
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