Konstanz/Hamminkeln, 9.
Mai 2023 - Die Proteste der Letzten Generation
spalten derzeit das Land. Eine Forderung der
Klimaaktivisten ist die Einrichtung eines
Gesellschaftsrates. Diesen Anspruch sieht der
Leiter der Beratungsstelle für Nachhaltige
Entwicklung und Change Management, Dennis Riehle
(Konstanz), kritisch. Der Politik- und
Kommunikationsberater meint, dass solch ein
paralleles Gremium mit mehreren Grundsätzen der
Verfassung kollidieren wird: „Insofern halte ich
es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Und eine
Änderung oder Ergänzung unserer Repräsentativen
Demokratie bräuchte dann eine deutliche
Verfassungsmehrheit im Bundestag, um die Weichen
für eine solche Institution zu schaffen.
Prinzipiell steht solch einem Vorschlag nichts
im Weg, wenn er auf legitimierte Weise umgesetzt
wird. Durch Erpressung einer oligarchisch
anmutenden Minderheit lässt sich eine Reform
unseres momentanen Systems sicherlich nicht
realisieren, zumal die gesellschaftliche
Zurückhaltung gegenüber der Idee ja durchaus
zurückhalten ist. Und das hat nicht zuletzt
damit zu tun, dass viele Menschen die
Klimaveränderung zwar als eine Herausforderung,
allerdings nicht als Notstand ansehen. Daher
scheint es aus Sicht einer Mehrheit auch keine
Rechtfertigung zu geben, dem Aufstand einer
bestimmten Bevölkerungsgruppe nachzugeben. Denn
ein Gesellschaftsrat wäre eine
Verlegenheitslösung, weil manche Teil der
Bürgerschaft dem Bundestag und den
Landesparlamenten nicht zutrauen, Politik in
ihrem Sinne zu machen“, so der 37-jährige
Journalist vom Bodensee. „Doch eine
Demokratie und ein freiheitlicher Rechtstaat
können sich nicht von einzelnen Mitgliedern
nötigen lassen. Denn auch der Versuch, ein
solches Gremium stellvertretend und auch
proportional zu den einzelnen
Gesellschaftsschichten durch zufällige Auswahl
ihrer Mitglieder zu besetzen, wird dem
Repräsentationsprinzip aus Art. 38 GG nicht
gerecht werden können. Die Anforderungen sind
klar, dass eine solcher Vorgang nur durch eine
qualifizierte, mehrstufige Quotenstichprobe –
und besser noch durch eine allgemein zugängliche
Wahl – entschieden werden kann, damit jeder
Bürger gemäß des Gleichheitsgrundsatzes aus Art.
3 GG dieselben Chancen hat, seinen Vertreter in
solch einen Rat schicken zu können. Und
letztlich muss man auch prinzipiell einmal
fragen, inwieweit solch ein Schattenparlament im
Grundgesetz überhaupt vorgesehen ist. Denn die
erforderliche Legitimationskette aus Art. 20
Abs. 2 der Verfassung ist für mich bei solch
einem Experiment, welches auch die
Bundestagspräsidentin mit der Einberufung eines
‚Bürgerrates“ sehr selbstbewusst und wenig
eigenreflektiert eingeht, nicht wirklich
eingehalten worden. Und abschließend müssen wir
ohnehin den Ansatz bis zum Ende denken und
attestieren: Wenn das Schule machen würde und
wir bei jedem Problem, das nicht in unserem
Sinne durch gewählte Volksvertreter gelöst wird,
einen neuen Kreis von Laien oder Experten in den
Stand der Legislative erheben würden, höhlten
wir unser bisher eigentlich gut funktionierendes
System relativ willkürlich und nach Beliebigkeit
aus“, schlussfolgert der Berater für Nachhaltige
Entwicklung.
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