Wesel/Hamminkeln,
27. Juli 2023 - Das Rheinland ist eine der
wichtigsten Logistik-Drehscheiben in Europa,
doch die Infrastruktur ist stark überlastet. Die
IHK-Initiative Rheinland (IIR) präsentiert
deshalb ihr „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“.
Die IIR ist ein Zusammenschluss von sieben
IHKs, darunter auch die Niederrheinische IHK.
Zehn Punkte zeigen auf,
wie die Verkehrsinfrastruktur leistungsfähig
bleibt. Dazu der Präsident der
Niederrheinischen IHK, Werner Schaurte-Küppers:
„Unsere Straßen sind in einem schlimmen Zustand.
Wir müssen den Verfall stoppen. Denn eine
gute Erreichbarkeit ist für unsere Unternehmen
und die Mitarbeiter wichtig. Das
‚Verkehrsleitbild Rheinland 2023‘ zeigt, wie es
geht. Bei den Planungen und Genehmigungen müssen
wir schneller werden. Es kann nicht sein,
dass die Planung und Genehmigung viel mehr Zeit
in Anspruch nehmen als der Bau selbst. Das gilt
besonders, wenn eine Brücke nur ersetzt werden
soll. Wir fordern, dann auf die
Planfeststellungsverfahren zu verzichten. Gerade
in Duisburg könnte uns das helfen. Die
A59-Brücke über den Hafen muss bis spätestens
2029 erneuert sein. Wir haben also nur noch
sechs Jahre Zeit. Allein das Planverfahren für
die marode Uerdinger Brücke in Krefeld soll acht
Jahre dauern. Das muss einfacher
gehen, die Zeit drängt.“
Verkehrsleitbild 2023:
IHK-Initiative-Rheinland fordert Tempo und
Ausbau bei klassischen Verkehrswegen sowie
Etablierung einer innovativen
Wasserstoffinfrastruktur 1.130 km
Autobahnen, 683 km Hochgeschwindigkeitsstrecke
Schiene, 77,5 Millionen Tonnen Güterumschlag der
Häfen von Wesel bis Bonn und fast 40 Millionen
Passagiere an den Flughäfen Düsseldorf, Köln und
Weeze pro Jahr. Die Zahlen zeigen: Die
Metropolregion Rheinland ist ein international
bedeutsamer Wirtschaftsstandort, der von starken
Ziel-, Quell- und Transitströmen geprägt ist.
IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor
Berghausen (IHK Düsseldorf) und Michael F. Bayer
(IHK Aachen) haben heute in Aachen
stellvertretend für die IHK-Initiative Rheinland
das „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“
vorgestellt.
Ihr Fazit:
Es besteht erheblicher Instandhaltungsbedarf, um
den bundesweit so wichtigen Wirtschaftsstandort
zu stärken. In folgenden Feldern besteht für
die IHKs im Rheinland Handlungsbedarf:
Verkehrswege nachhaltig finanzieren und
Planungskapazitäten aufbauen Das Rheinland ist
eine zentrale Logistikdrehscheibe und benötigt
eine für den zukünftigen Bedarf ausgebaute
Verkehrsinfrastruktur. Dafür sind ausreichende
Finanzmittel und Planungskapazitäten nötig. Im
Kontext einer nachhaltigen Finanzierung von
Verkehrswegen gilt es zudem, auch die steigenden
Baukosten zu berücksichtigen.
„Unsere
Verkehrswege sind seit Jahren chronisch
unterfinanziert. Addiert man die fehlenden
Finanzmittel der Jahre 2012 bis 2023, ergibt
sich eine Finanzierungslücke von mehr als 45
Milliarden Euro. Die Budgets müssen angesichts
der maroden Infrastruktur deutlich aufgestockt
und primär für deren Erhalt und Ausbau genutzt
werden“, sagt Michael F. Bayer,
Hauptgeschäftsführer der IHK Aachen.
Zusätzlich sehe das IIR-Verkehrsleitbild vor,
ausreichende Planungskapazitäten aufzubauen.
„Der Fachkräftemangel setzt auch unserer
Infrastruktur zu. In NRW fehlen etwa zahlreiche
Ingenieurinnen und Ingenieure, die für Planungen
und Baubegleitungen unabdingbar sind, oder
Juristinnen und Juristen, die sich um die
Auftragsvergabe kümmern“, so Bayer weiter.
Eine Attraktivierung der Arbeitsplätze
innerhalb der Planungsbehörden sei daher eine
weitere wichtige Maßnahme. Bei Entscheidungen
darüber, in welche Projekte investiert wird,
solle außerdem die verkehrliche Dringlichkeit
und der volkswirtschaftliche Nutzen im
Mittelpunkt stehen. Verfall der Infrastruktur
stoppen – schneller planen, genehmigen und bauen
Schon heute sind die Straßen regelmäßig
überlastet und das Rheinland führt seit Jahren
den traurigen Rekord der Stauregion Nr. 1 in
Deutschland an. Bereits der Infrastruktur-
Zustandsbericht der IIR aus dem Jahr 2016 zeigt,
dass etwa ein Fünftel der Bundesautobahnen und
ein Drittel der Bundesstraßen in einem
schlechten baulichen Zustand sind.
„Der
Ausbau unserer Infrastruktur dauert meist
mehrere Jahrzehnte. Die rheinländischen IHKs
fordern deshalb, Planungsverfahren deutlich zu
verschlanken, zu entbürokratisieren und zu
beschleunigen. Wir benötigen mindestens eine
Halbierung der Planungs-, Genehmigungs- und
Bauzeiten. Um das zu erreichen, müsste die
Verwaltung verbindliche Fristen für die
Bearbeitung der Anträge einhalten und bei
umfangreicheren Genehmigungsverfahren eine
interne Termin- und Projektsteuerung
etablieren“, erklärt Bayer.
Handlungsbedarf beim System Wasserstraße und dem
Verkehrsträger Schiene Nordrhein-Westfalen ist
Binnenschiffsland Nr. 1 in Deutschland. 80% der
Binnenfahrschiffe fahren über den Rhein und mehr
als die Hälfte des Güterumschlags auf der
Wasserstraße findet in NRW statt. Das sind rund
110 Millionen Tonnen im Jahr, was der
Ladekapazität von ca. 4,5 Millionen Lkw
entspricht. „Neben der Tatsache, dass die
Binnenschifffahrt wesentlich dazu beiträgt, den
Transport von Gütern auf den Straßen zu
reduzieren, ist das System Wasserstraße für die
regionale Industrie ein wesentlicher
Standortfaktor“, sagt Gregor Berghausen,
Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Das
Rekordniedrigwasser im Sommer 2022 habe
beispielsweise gezeigt, wie stark die Branche
auf eine funktionierende
Wasserstraßeninfrastruktur, leistungsfähige
Häfen und trimodale Hinterlandanbindungen
angewiesen sei.
Um die
Wettbewerbsfähigkeit der Metropolregion
Rheinland langfristig sicherstellen zu können,
gilt es deshalb, das System Wasserstraße zu
stärken und sich gezielt für die Klima-Resilienz
des Rheins einzusetzen. „Dafür müssen
entsprechende Investitionen getätigt werden.
Außerdem sollte das Land die landesbedeutsamen
Häfen nach Wasserstraßen-, Hafen- und
Logistikkonzept NRW für die industrie- und
logistikaffinen Nutzungen sichern und vor
entgegenstehenden Interessen schützen“, so
Berghausen weiter. Ähnliches gelte für den
Verkehrsträger Schiene. „Auch hier müssen die
Kapazitäten gezielt erweitert werden, um Waren
effizient in unserer Region transportieren zu
können“, erklärt der Hauptgeschäftsführer der
IHK Düsseldorf. Das IIR-Verkehrsleitbild sieht
deshalb vor, den für die Wirtschaft wichtigen
Bau der dritten Gleise zwischen Oberhausen und
Emmerich sowie zwischen Aachen und Köln zu
beschleunigen, um die Anbindung des Rheinlands
an die ZARA- Häfen (Zeebrügge, Antwerpen,
Rotterdam, Amsterdam) zu verbessern.
„Durch ein geeignetes Baustellenmanagement muss
außerdem gewährleistet werden, dass wichtige
Standorte während der Baumaßnahmen nicht
vollständig vom Schienennetz abgeschnitten
werden“, so Berghausen abschließend.
Flughafenstandorte sichern und entwickeln Das
Rheinland ist in besonderem Maße international
verflochten und exportorientiert. „Die
vorhandenen Flughäfen – speziell Düsseldorf und
Köln/Bonn – bieten exportorientierten
Unternehmen schnelle Geschäfts- und
Frachtflugverbindungen. Es gilt deshalb, die
Flughäfen als wichtige Standortfaktoren zu
stärken und den aus ihnen resultierenden
Wettbewerbsvorteil der Region maximal
auszuschöpfen“, so Gregor Berghausen. „Die
Flughäfen brauchen Entwicklungsmöglichkeiten
durch eine an die Runway-Kapazität angepasste
Genehmigung in Düsseldorf und einen Fortbestand
der Nachtflugregelung in Köln/Bonn über 2030
hinaus. Um auch die Transformation und
Dekarbonisierung des Luftverkehrs gleichermaßen
vorantreiben zu können, ist es wichtig,
Forschungseinrichtungen weiterzuentwickeln –
dazu bedarf es zusätzlich entsprechender
Entwicklungsflächen.“
Erreichbarkeit der
Innenstädte sichern – Betriebliche Mobilität
fördern Auch die Erreichbarkeit der Innenstädte
gilt es zu sichern, z. B. durch die Förderung
betrieblicher Mobilität. „Innenstädte sind
Zentren des Handels, der Dienstleistungen, der
Kultur, des Wohnens und der Freizeit. Hinzu
kommt: Sie befinden sich derzeit in einem
starken Wandel“, so Gregor Berghausen. „Unsere
Innenstädte müssen langfristig gut erreichbar
sein, denn eine starke Wirtschaft in urbanen
Räumen floriert, wo der Verkehr stadtverträglich
und umweltfreundlich gedacht wird“.
Ebenso wichtig ist es, neue Mobilitätsformen mit
bewährten Verkehrsträgern in Einklang zu
bringen. „Wenn die Angebote auf einheitlichen
Plattformen so kombiniert werden, dass sie für
Interessenten komfortabel gebucht werden können,
lassen sich multimodale Mobilitätsketten
umsetzen, die sich positiv auf die
Gesamtmobilität auswirken“, erläutert
Berghausen.
Flächen an den
Hauptverkehrsachsen sind zudem hervorragend für
die Ausweisung von Gewerbe- und
Industriestandorten geeignet, denn insbesondere
für den Güterverkehr mit seinen komplexen
Logistikketten sind diese Flächen ein
ausschlaggebendes Wettbewerbs- und
Ansiedlungskriterium. Eine leistungsfähige
H2-Pipeline-Infrastruktur aufbauen Im
„Verkehrsleitbild Rheinland 2023“ adressiert die
IIR auch das Zukunftsthema Wasserstoff. Der
klimaneutrale Umbau der Wirtschaft ist eine
enorme technische, finanzielle und zeitliche
Herausforderung – und emissionsfreier
Wasserstoff wird dabei insbesondere für die
Industrie eine Schlüsselrolle einnehmen.
„Die enormen Mengen an Wasserstoff, die für
die Transformation unserer Wirtschaft benötigt
werden, können nicht nur im Rheinland produziert
werden. Wichtige Partner werden Belgien und die
Niederlande mit ihren Häfen Antwerpen und
Rotterdam als Wasserstoffdrehscheiben für die
Metropolregion Rheinland sein. Deshalb ist es
notwendig, unser Wasserstoffnetz mit Anschluss
an die beiden Nachbarländer schnell und
unbürokratisch aufzubauen“, so Michael F. Bayer
abschließend.
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