Kreis Wesel/Hamminkeln, 11. Februar 2021 - Nach etwa
zweijährigen Ermittlungen der Kreispolizeibehörde Wesel und
der Staatsanwaltschaft Münster hat die Staatsanwaltschaft
Anklage gegen einen 54-jährigen Mann aus Dülmen, einen
53-Jährigen aus Bocholt sowie einen (ebenfalls 53-jährigen)
Rechtsanwalt und Steuerberater aus dem Kreis Wesel vor dem
Landgericht Münster erhoben. Im Mittelpunkt der
Anklageschrift steht der Tatvorwurf des gewerbs- und
bandenmäßigen Betruges gegen die drei Männer in insgesamt 32
Fällen; zudem wird dem Angeschuldigten aus Bocholt und dem
Rechtsanwalt in einigen Konstellationen auch gewerbsmäßige
Untreue zur Last gelegt.
Nach dem Ergebnis der
Ermittlungen sollen sich die drei Angeschuldigten Ende 2015
zusammengeschlossen haben, um in betrügerischer Weise
Auszahlungen von Lebens- und Rentenversicherungen zu
erreichen. Hierzu sollen die Angeschuldigten aus Dülmen und
Bocholt über ein Callcenter aus Hamburg Namen und
Erreichbarkeiten von Versicherungsnehmern aus verschiedenen
Orten ganz überwiegend in Nordrhein-Westfalen gekauft haben.
Sodann soll der Dülmener die Versicherungsnehmer aufgesucht
und ihnen vorgespiegelt haben, angeblich von diesen zu
Unrecht erhobene Abschluss- und Verwaltungsgebühren von
Versicherungsgesellschaften zurückfordern zu können und
daher eine Kündigung der Verträge wirtschaftlich sinnvoll
sei. Er soll bei den persönlichen Gesprächen erreicht haben,
dass die Kunden unter anderem Maklerverträge und Vollmachten
blanko unterschrieben haben. Diese sollen über den
Angeschuldigten aus Bocholt an den Rechtsanwalt
weitergeleitet worden sein, der die Kündigung der Verträge
gegenüber den Versicherungen ausgesprochen und bewirkt haben
soll, dass die Versicherungssummen auf sein Konto überwiesen
wurden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen soll der
Rechtsanwalt ungefähr 100.000,00 Euro für sich behalten
haben; den Rest soll er an die Mitbeschuldigten
weitergeleitet haben.
Einigen Versicherungsnehmern
soll im Rahmen der angeklagten Begehungsweise auch
vorgespiegelt worden sein, dass deren Gelder nach der
Kündigung der Versicherungsverträge in hochspekulative
Geldanlagen (mit der verschwiegenen Möglichkeit eines
Totalverlustes) oder Immobilien investiert werden sollten -
die es tatsächlich aber nicht gegeben haben soll. Die
Geschädigten, die erst aufgrund umfangreicher
Kontoauswertungen ermittelt werden konnten, gingen bis vor
wenigen Wochen aufgrund regelmäßig übersandter
Steuerbescheinigungen noch davon aus, dass die Gelder noch
vorhanden seien.
Seit dem 22.09.2020 befinden sich
die Angeschuldigten aus Bocholt und Dülmen aufgrund von der
Staatsanwaltschaft Münster erwirkter Haftbefehle in
Untersuchungshaft. Der Rechtsanwalt befindet sich nicht in
Untersuchungshaft; ein Haftbefehl besteht nicht´.
Gegenstand der Anklage sind insgesamt 67 Fälle, in 32 der
angeklagten Ereignisse sollen die drei Angeschuldigten
gemeinsam gehandelt haben. Die Vorwürfe zugrunde gelegt soll
ein Gesamtschaden von knapp 1,5 Millionen Euro verursacht
worden sein. Aufgrund von bereits geltend gemachten
Rückzahlungsforderungen von Versicherungs-nehmern sind
Rückzahlungen in Höhe von 210.000,00 Euro erfolgt.
Der angeklagte Zeitraum erstreckt sich auf die Jahre
2015-2020, wobei der angeklagte Rechtsanwalt ab dem Jahr
2018 nicht mehr an den vorgeworfenen Ereignissen beteiligt
war.
Die Angeschuldigten haben sich im
Ermittlungsverfahren zu den Vorwürfen geäußert und die
angeklagten Geschehensabläufe im Wesentlichen eingeräumt,
sehen ihr Vorgehen aber als nicht strafbar an. Der
angeschuldigte Rechtsanwalt hat unter anderem erklärt,
Honorarforderungen gegen den Mann aus Bocholt gehabt zu
haben. Mit diesem habe er vereinbart, Teilbeträge aus den
Versicherungsleistungen mit diesen Forderungen zu
verrechnen. Der Angeschuldigte aus Bocholt hat angegeben,
davon ausgegangen zu sein, dass das praktizierte
Geschäftsmodell rechtlich unbedenklich sei und dass der
Angeschuldigte aus Dülmen die Kundengespräche ordnungsgemäß
geführt habe. Auch hätten die Versicherungsnehmer die
Tragweite ihrer Unterschriften erkannt. Soweit seine
Investitionsversuche erfolglos gewesen seien, habe er dies
zu spät erkannt; dies sei ihm aber aus strafrechtlicher
Sicht nicht vorzuwerfen. Der Angeschuldigte aus Dülmen hat
sich dahingehend geäußert, zwar die Kunden aufgesucht und
diese die Schriftstücke unterschreiben lassen zu haben; an
den nachfolgenden Kündigungen sei er nicht beteiligt
gewesen.
Die Ermittlungsbehörden haben aufgrund
umfangreicher Finanzermittlungen unter anderem drei
Immobilien vorläufig durch Eintragung einer
Sicherungshypothek beschlagnahmt, um mögliche
Regressansprüche von Versicherungsnehmern zumindest in
Teilen zu sichern.
Das Landgericht Münster hat über
die Zulassung der Anklageschrift zu entscheiden.
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